Die schwarzen Schafe beim Korkkonsum: Österreich, Deutschland und die Schweiz
Neulich, bei einer Recherche in Calangianus in der Gallura, bin ich vom Hocker gefallen, als ich mir von einem sardischen Korkproduzenten, der auch der größte Italiens ist, erzählen lassen musste, dass meine Brüder und Schwestern nördlich des Brenners doch glatt zu großen Umweltfrevlern mutiert sind, was den Umgang mit Kork als Weinflaschenverschluss betrifft.
Nein: es geht nicht darum, dass Kork zu oft in den Flaschen steckt, weil sonst die armen Korkeichen sterben – sondern zu selten. Und zwar viel zu selten! Denn während ausgerechnet hier im Land meiner Wahlheimat, gefühlter Mehrfach-Weltmeister im Ignorieren von Umweltschutz, noch immer bis zu 85 Prozent aller Weine mit dem nachwachsenden Rohstoff Kork verschlossen werden, sind es in Deutschland nicht mal mehr 30 Prozent, in Österreich sogar weniger als 20 Prozent, und auch die Eidgenossen sollten an dieser Stelle mit unter 40 Prozent mucksmäuschenstill sein.
Quercus suber, die Korkeiche, ist der weltweit einzige Baum, dessen Rinde man am lebenden Stamm ernten kann, ohne dass er anschließend stirbt. Eine regelmäßig alle zehn Jahre abgeerntete Korkeiche wird resistenter gegen Feuer, bildet dickere Korkmasse und bindet in der Rinde fünfmal mehr CO2 als andere Bäume. Die gesamten Korkeichenwälder, die es nur im Mittelmeerraum gibt, verwandeln jährlich 14 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid in vielseitig verwendbaren Kork – glatte zehn Prozent des CO2-Ausstoßes im deutschen Straßenverkehr.
Das Niederschmetterndste an den Weinverschluss-Statistiken deutschsprachiger Lande aber ist: Der Verschluss, der heute meist den Wein versiegelt, ist genau der, der die mieseste CO2-Bilanz von allen möglichen Stopfen hat: der Alu-Schraubverschluss. In der Schweiz sind 60 Prozent aller Weine mit diesem Umweltsünder verschlossen, in Deutschland 70 Prozent, in Österreich sind es 80 Prozent. Die Herstellung eines Alu-Schraubverschlusses setzt 24 Mal mehr Kohlendioxid frei als der Naturkork, der der Natur nützt und hilft, während Aluminium sie ausschließlich belastet.
Natürlich kam der Umstieg auf künstliche Verschlüsse nicht aus heiterem Himmel. Die Korkindustrie hat sich zu lange auf dem Monopol von Kork als Verschlussmaterial für Weinflaschen ausgeruht. Sie hat sich zu wenig bemüht, das Problem des so genannten “Korktons” in den Griff zu bekommen und noch manch anderen Fehler begangen.
Doch inzwischen bestätigen seit Jahren selbst unabhängige und renommierte Forschungseinrichtungen wie das Weininstitut aus dem hessischen Geisenheim, dass Naturkork keinesfalls die einzige Quelle für Mufftöne im Wein ist. Dass es mehrere Stoffe gibt, die von zahlreichen Quellen in den Kellereien wie Holz, Kartonagen oder Reinigungsmitteln stammen können. Und dass die Weinkorken seit der Korkkrise qualitativ deutlich besser als vor der Krise geworden sind.
Am 25. Juli ist bei der Sendung “Forschung und Gesellschaft” von Deutschlandradio Kultur eine 30-minütige Sendung gelaufen, bei der sich der Autor dieses Blogs, der Weinflaschen natürlich vor allem deswegen entkorkt, um die Nachfrage von Kork zu steigern, mit der wunderbaren Welt des Korks auf Sardinien beschäftigt, die gelegentlich als die “einzige echte sardische Industrie” bezeichnet wird. Einen Link dazu gibt es hier.