Gute sardische Weißweine

Balajana, IGT, Cantina Gallura (Tempio, Provinz Nuoro)

Es gibt erfahrene Weißweinexperten, die behaupten, dass allein das Bukett dieses reinen Vermentinowenn man ihm vor dem Servieren zehn bis zwanzig Minuten Zeit zum Atmen lässt, bei Frauen eine magische Wirkung entfalten soll. Und es gibt Expertinnen, die das Gleiche von Männern behaupten.
Tatsache ist, dass ich mich vom Balajana, wenn der Korken erst mal aus der dickwandigen, schwarzgrünen Flasche ist, auf keine Art und Weise mehr trennen lasse vom Inhalt. Seine durchdringenden Aromen ergreifen sofort Besitz vom zentralen Nervensystem, in dem betörend intensive, klare Noten von Vanille und Eichenholz die Kontrolle übernehmen. Was nicht von ungefähr kommt: Der Balajana ist der erste Weißwein Sardiniens, der im Barrique-Fass reift – und zwar etwa die ersten acht Monate, danach vier weitere in der Flasche.
Dino Addis, Chefwinzer der Cantina Gallura, hat diesen Wein, der vielleicht sein größtes Meisterstück ist, trotz beißendes Spotts eines großen Teils der sardischen Winzerschaft durchgesetzt, der er als äußerst erfolgreicher Präsident vorsteht. Das Ergebnis ist ein Vermentino, der zwar nicht das Gütesiegel des einzigen DOCG-Weins in Sardiniens trägt – des Vermentino di Sardegna – aber zweifellos zu den IGT-Weinen zählt, die es locker mit der Königsklasse aufnehmen können.
Die unter sardischen Weißweinen einzigartige Kombination des Buketts erinnert an eine Mischung aus Salbei und Geraniol (die höchsten Anteile von Geraniol sind im Öl von Rosen und Geranien enthalten; es kommt auch bei Lorbeer, Muskat und Koriander vor und ist Bestandteil etlicher Parfüms und ätherischer Öle). Die klaren Vanilletöne kann man nicht nur riechen, sondern auch deutlich mit der Zunge wahrnehmen, wo er trocken und cremig schmeckt und karamellartige Tannine zärtlich mit der Vanille wetteifern, verfeinert durch Aromen von Blüten und Gewürzen. Im Abgang ausdauernd und rein. Schmeckt am besten  bei 16°-18°C. wenn er eine halbe Stunde vor dem Trinken geöffnet wird.  Harmoniert hervorragend mit herzhaften Gerichten wie Lasagne, hellem und auch dunklem Fleisch und reifen Käsesorten.

Guter Preis: um die 12 Euro

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I Graniti, DOCG, Pedra Majore (Calangianus, Provinz Nuoro)

Vermentino und Gallura – zwei Dinge, die auf Sardinien untrennbar zusammen gehören. Die meisten dieser charaktervollen Weißweine, deren Trauben in den Schößen der Berge auf den Granitböden im Nordosten der Insel am besten gedeihen, halten, was ihre Gütesiegel versprechen. I Graniti hebt sich dennoch von den nicht selten zwei bis drei Mal so teuren Konkurrenten ab – kaum ein anderer bringt derart leichte und reine Fruchttöne hervor.
Die Rebstöcke von Pedra Majore, die zwischen Meerkirschen und Myrthe stehen, werden seit Beginn des 18. Jahrhunderts am Fuß des Monte Limbara bewirtschaftet, der mit knapp 1400 Metern höchsten Erhebung im Nordosten der Insel, der die Gegend um Tempio weithin sichtbar dominiert. Edle Renetten- und zarte Zedern-Aromen dominieren sein Bukett, auf der Zunge und am Gaumen gibt er sich weich, frisch, warmtrocken und ausgeglichen. Harmoniert hervorragend mit deftigen Meergerichten, auch pikanten Varianten und Frittiertem und allen Saucen und Risottos auf Pilzbasis.

Guter Preis: um die 9 Euro

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I Papiri, Vermentino, Grand Cru, D.O.C., Santa Maria La Palma (Santa Maria la Plama, Provinz Alghero)

„Keine Grafen, Barone oder Marchesi, nur Winzer und Bauern“: Die Kellerei Santa Maria la Palma legt auf schnörkellose sardische Winzertradition, die bis vor zwei, drei Jahrzehnten moderne Methoden noch stolz ablehnte, so großen Wert, dass sie dieses Motto des 1959 gegründeten noch immer allem voran stellt.

Stand dieses Motto in Sardinien in der Vergangenheit oft für Lokalpatriotismus und selten für Qualität, haben sich die Zeiten inzwischen auch bei den Traditionalisten geändert, ohne dass alte Tugenden vollends verraten wurden.

I Papiri ist der beste Beweis für das Potenzial. Der Vermentino, dessen Trauben in der Tiefebene zwischen den Steilküsten von Capo Caccia und Argentiera in besten Lagen des 700 Hektar umfassenden Unternehmens fast direkt ans Meer grenzen, besticht durch ein zart nach Melone und Banane duftendes Bukett, einen weichen, ausgewogen fruchtigen Geschmack mit Mandelnoten im Abgang. Das Gleiche gilt für den Preis, der im günstigsten Fall unter zehn Euro liegt. Womit I Papiri, der neben vielen Auszeichnungen auch vom Gambero Rosso ein Weinglas (von maximal drei) bekam, konkurrenzlos edel und preiswert ist.

Sollte nicht mehr als zwei Jahre in der Flasche reifen und bei 8 bis 10°C getrunken werden. Harmoniert hervorragend mit allen Meeresspeisen und eignet sich auch sehr gut als Aperitif.

Guter Preis: 8 bis 9 Euro

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Maìa, Vermentino, DOCG, Siddùra (Luogosanto, Provinz Nuoro)

Siddùra, etwas oberhalb im Norden von Luogosanto gelegen, dem mittelalterlichen Zentrum der Gallura, gehört zu den jüngsten und modernsten Kellereien Sardiniens, die für eine perfekte Symbiose zwischen Tradition und Moderne stehen. Keine andere Kellerei in Sardinien hat dieses Erfolgskonzept, dass der Tradition nur in soweit sklavisch folgt, als das es das Maximum aus den Trauben holen will, so schnell und erfolgreich wie Siddùra umgesetzt.
Mit dem Maìa-Jahrgang 2012 gewann das kleine Team 2013 mit den ersten Reben überhaupt, die auf dem erst vor wenigen Jahren für den Weinanbau gerodeten Gelände angebaut wurden, auf Anhieb die begehrte Decanter Worldwide Award in Gold. Der strohgelbe Vermentino, dessen Name in galluresischem Dialekt ‚Magie‘ bedeutet, fermentiert nach der Handernte Mitte September 12 bis 15 Tage und lagert dann bis zur Flaschenabfüllung im April des Folgejahres in Edelstahltanks im amphietheaterartigen Kellereigebäude, das direkt in den Hang unterhalb der Weinfelder hineingebaut wurde.
Minze, Ingwer und Talgnoten dominieren das Bukett, am Gaumen erzeugt er cremig-weiche Nuancen frischer Butter. Kongenial mit Meer- oder Land-Antipasti, Meeresgerichten, Weichkäsen und mittelreifer Pecorino.

Guter Preis: um die 18 Euro