Dunkle Flecken im Paradies

Wie zwei Moais auf der Osterinsel trotzen die due colonnedie ‚Zwei Säulen‘, an der Südostspitze der Isola di San Pietro der winterlichen Brandung.

Die maritime Fauna und Flora der Küste Sardiniens gilt noch immer nicht nur als eine der schönsten, sondern auch saubersten des gesamten Mittelmeeres. Doch gibt es auch in diesem Paradies dunkle Flecken.

Nur sind die nicht immer so leicht zu entdecken.

Schwermetalle auf dem Meeresgrund lautet die Überschrift einer kurzen Zusammenfassung, mit der Sardiniens auflagenstärkste Zeitung vor kurzem über die Ergebnisse einer meeresbiologischen Studie berichtete, an der die Universität Cagliari und die Region Sardinien beteiligt waren.

Im Vergleich zum explosiven Textinhalt allerdings wirkt die Überschrift wie eine Knallerbse. Denn die Studie, kolportiert L’Unione Sarda, sei zu dem ‚erschreckenden Bild‘ gekommen, dass der Meeresboden zwischen der Isola di San Pietro und der Südwestküste Sardiniens zu den giftigsten der ganzen Region zählt.

Unter den Stoffen, die in den Sedimentböden in erhöhten Konzentrationen nachgewiesen wurden, befinden sich krebserregende Substanzen wie Quecksilber, Blei und Cadmium, die Schäden im Ökosystem hervorriefen und eine „anhaltende Gefahr für die Menschen“ darstellten.

Doch nicht nur Schwermetalle sind gefunden worden, sondern auch polizyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Eine Substanz, die ebenfalls krebserregend ist und zudem auch noch Erbgut schädigen kann, weiß das Blatt. Toxikologische Untersuchungen von Austern haben zum Beispiel in der Nähe des Hafens von Carloforte eine „maximale Kontamination von 100 Prozent“ in Form von Anomalien bei allen Larven ergeben. Eine „bedeutende Toxizität“ sei dabei im Bereich von La Punta festgestellt worden, wo die größte noch verbliebene stationäre tonnara (Thunfisch-Fanganlage) des Mittelmeers betrieben wird sowie bei der nur wenige hundert Meter entfernten Isola Piana, auf der sich eine Feriensiedlung befindet.

Als Ursache nennen die Forscher neben der geochemischen Beschaffenheit der einst intensiv bewirtschafteten Bergbauregion der Sulcis-Provinz die riesigen, in Italien einzigartigen Metallindustrieanlagen von Portovesme, wo heute vor allem Aluminium hergestellt wird. Von dort aus laufen die Fähren zur Isola di San Pietro aus, einen Steinwurf entfernt. Die Anlagen stehen seit etlichen Jahren im Verdacht, Auslöser für überdurchschnittlich hohe Krebsraten in dieser Gegend zu sein.

Die Titelseite der Zeitung widmet an jenem Tag den Aufmacher einem 45-jährigen Schäfer, der bei dem Versuch, eines seiner in einen Fluss gefallenen Schafe zu retten, ertrunken ist. Zu lesen ist dort außerdem, dass der Rechnungshof ein Verfahren gegen die Verantwortlichen eines Sex- und Bestechungsskandals in Portoscuso wegen eines möglichen Image-Schadens eröffnet hat, der der Gemeinde daraus entstanden sein könnte. Portoscuso grenzt unmittelbar an Portovesme. Schon 2006 kam eine Studie der Universität Florenz zu dem Schluss, dass die Sterblichkeitsrate in Portoscuso durch Erkrankungen der Atemwege „signifikant exzessiv“ sei.

Vom Umweltdesaster in den Gewässern zwischen der Isola di San Pietro und der Mutterinsel hingegen fehlt auf Seite 1 jede Spur.

Der Kurzbericht taucht erst auf Seite 35 auf.

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Siehe auch: www.natur.de

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